Künstliche Beschneiung im Alpenraum
Ian C. Meerkamp van Embden , ALPENFORUM International
Ökologische Auswirkungen der Pistenpräparierung und künstlichen Beschneiung
1. Technische Aspekte der künstlichen Beschneiung
Die internationale Alpenschutzkommission CiPRA geht davon aus, dass in Österreich derzeit 38 % der Pisten beschneit werden, in Südtirol sogar 55 %. Die Tendenz ist steigend. Nähere Angaben zu dem bei der künstlichen Beschneiung beanspruchten Flächenbedarf sowie zur Zahl der Beschneiungsanlagen in den Alpen vermittelt Abb. 1. Die künstliche Beschneiung von Wintersportpisten erfolgt mit Hilfe von Schneekanonen. Aus höhergelegenen, meist künstlich hierzu angelegten Speicherseen (Fassungsvermögen der offenen Speicher ca. 5.000 - 50.000 m³) (4) wird Wasser in Zapfsäulen gepumpt, die entlang der Abfahrten montiert sind. An diese Wasserentnahmestellen sind die Schneekanonen angeschlossen. Mit Hilfe von Druckluft wird das Wasser durch eine Düse gepresst und sinkt als Schnee zu Boden. Das den Schneekanonen zugrunde liegende physikalische Prinzip beruht auf der Abkühlung bei Expansion von Gasgemischen. Stand der Technik ist die Beschneiung mit Niederdruck Schneekanonen (Propellerkanone), bei denen mit Hilfe einer Turbine Druckluft erzeugt wird, welches Wasser aus mehreren Düsen fein vernebelt in die Luft bläst (12). Kaum mehr eingesetzt werden die früheren Hkd-Hochdruck-Lanzen, bei denen Wasser unter einem Druck von 5 - 10 bar über eine Lanze verstäubt wird.
Schneekanonen funktionieren normalerweise nur bei Lufttemperaturen bis etwa minus 3°C. Unter gewissen Voraussetzungen kann eine künstliche Beschneiung auch oberhalb O°C Lufttemperatur (bis max. plus 6°C) durchgeführt werden, sofern sehr hohe Drucke aufgewendet und u. U. Impfzusatzstoffe (siehe nachstehenden Kommentar) ) zugesetzt werden. Diese Arbeitsweise ist extrem teuer (5). Der Deutsche Skiverband gibt als notwendige Arbeitsbedingungen für einen normalen Betrieb von Schneekanonen einen Luftfeuchtigkeitsgehalt unter 80 % und eine Wassertemperatur unter plus 2°C an (8). Eine Arbeitsgruppe der Universität Stuttgart gibt in ihrem Bericht als optimale Arbeitsbedingung eine Außentemperatur von minus 5 °C und eine relative Luftfeuchtigkeit unter 60 % an (2). Zum Wasser- und Energie (Strom)-Bedarf der künstlichen Beschneiung siehe Abb. 2. Der erforderliche Wasserbedarf zur künstlichen Beschneiung nimmt kontinuierlich zu und hat sich beispielsweise in der autonomen Provinz Bozen zwischen 1997 und 2000 annähernd verdoppelt (4).
Über die ökologischen Folgen des zur Beschneiung aufgewendeten hohen Energie- und Wasserverbrauchs liegen nur wenige fundierte Untersuchungen vor, darunter die von Newesely und Cernusca (Universität Innsbruck) (1), Scheurer (Fachhochschule Bingen) (9 ) sowie eine Publikation im Rahmen einer Exkursion einer Arbeitsgruppe der Universität Stuttgart ins Wallis (2).
2. Ökologische Auswirkungen der Pistenpräparierung und künstlichen Beschneiung
Nährstoffarmut und Erosionsgefahr Geglättete Skipisten nach Total - Planie sind nährstoffarm. Durch die Entfernung des Humus sind essentielle Nähstoffe wie Stickstoff und Phosphor weitgehend verloren gegangen. Die Fähigkeit zur Wasserspeicherung ist kaum noch vorhanden, sodass auf solchen Böden der Abfluss etwa 10 Mal so groß ist wie unter Wald. Wie Untersuchungen an Skipisten am Unterrothorn im Wallis gezeigt haben, verbleibt nach der Planie nur eine dünne Gesteinswitterungsschicht über dem Felsgestein. Dies erhöht das Erosionsrisiko und vermindert die Hangstabilität. (9)
Bodenfrost Verdichtete Schneedecken als Folge einer Präparierung der Abfahrtshände mit schweren Pistengeräten weisen eine verminderte Luftdurchlässigkeit aus. Dies setzt die thermische Isolationsfähigkeit der Schneedecke herab. Als Folge resultiert die Gefahr eines verstärkten Bodenfrostes. Die Neigung zu Bodenfrost wird durch die Temperaturleitfähigkeit der Schneedecke sowie durch die Schneehöhe und Schneedichte bestimmt. So ist beispielsweise der Boden unter einer präparierten Skipiste mit einer Schneedichte von 500 kg/m³ erst ab 60 cm Schneehöhe vor Bodenfrost geschützt. Künstlich erzeugter Schnee hat einen hohen Anteil an freiem Wasser (bis zu 500 Liter/m²). Dies bedeutet, dass während der Schmelzperiode unnatürlich hohe, exponentiell ansteigende Wassermengen abließen. (1)
Sauerstoffmangel Schnee aus Schneekanonen erzeugt keine stark gegliederten Schneekristalle, sondern tendenziell kleine Eiskugeln, die sich in sehr dichten Schichten ablagern. Damit wird die bereits durch Pistenpräparierung erzeugte Verdichtung der Schneedecke nochmals verstärkt. Die verminderte Luftdurchlässigkeit führt zu Sauerstoffmangel am Boden Hierbei steigt die Frostempfindlichkeit mit dem Grad des Sauerstoffmangel. (1)
Vegetationsbeeinträchtigung Sauerstoffmangel am boden führt zu einer Schädigung der Pflanzenvegetation , und zwar bei allen untersuchten Pflanzenarten. Während diese Schädigung bei Fettwiesen nur geringfügig ist, wird auf Magerwiesen ein Rückgang der Artenvielfalt um bis zu 30 % durch künstliche Beschneiung registriert. Eine zusätzliche Beeinträchtigung kann durch den Eintrag von Mineralstoffen aus dem Beschneiungswasser erfolgen, namentlich durch erhöhten Eintrag von Kalzium und Magnesium. (1, 3, 6)
Auswirkungen auf die Fauna Mögliche Beeinträchtigungen der Fauna durch die künstliche Beschneiung können durch Vertreibung aus optimalen Einständen bzw. Ruhezonen und eine verminderte Möglichkeit zur Nahrungssuche entstehen. Fehlende wissenschaftliche Untersuchungen auf diesem Gebiet lassen eine objektive Bewertung dieser Auswirkungen bislang allerdings nicht zu. (2)
3. Impfmittel als Zusatzstoffe zur künstlichen Beschneiung
Um eine schneller Eiskristallbildung und höhere Außentemperaturen beim Einsatz von Schneekanonen zu erreichen, sind Länder wie die USA und Alpenländer wie die Schweiz sowie auch Wintersportregionen in Frankreich dazu übergegangen, dem Wasser für die Schneekanonen Impfmittel zuzusetzen.
Es handelt sich hierbei um biochemische Zusätze. In der Schweiz ist bislang ein Produkt namens Snowmax im Einsatz. Es sind dies durch Bestrahlung abgetötete Bakterien der Art Pseudomonas Syringae (7). In Kurzzeit-Tests, die hierzu in der Schweiz durchgeführt wurden, konnten beim Einsatz solcher Produkte keine negativen folgen für die Umwelt, namentlich an der Vegetation, festgestellt werden. Es fehlt allerdings an Langzeitversuchen, um möglicherweise unerwünschte ökologische Folgen ausschließen zu können (7). Auch erscheint umstritten, ob die Abtötung der Bakterien durch Bestrahlung absolut zuverlässig erfolgt. Der Einsatz dieser in den USA entwickelten Mittel ist in Bayern, sowie in Vorarlberg, Salzburg und Südtirol verboten.(7)
Das ALPENFORUM setzt sich dafür ein, dass der Einsatz solcher Zusatzstoffe im gesamten Alpenraum ausgeschlossen wird, so lange Langzeitversuche die ökologische Unbedenklichkeit nicht einwandfrei erwiesen haben.
4. Künstliche Beschneiung in der öffentlichen Meinung
Ein für den Wintersport und den Tourismus heikles Thema betrifft die Frage, ob, und wenn ja in welchem Umfang, die künstliche Pistenbeschneiung in den Alpen intensiviert werden sollte. Im Hinblick auf die in den letzten Jahren wachsende Problematik schneearmer Winter kommt dieser Frage für die Wintersportaktivitäten in Höhenlagen unter 1300 bis 1500 m eine immer größere Bedeutung zu.
Kunstschneepisten und die künstliche Beschneiung werden in der öffentlichen Meinung ambivalent bewertet. Eine von Meerkamp van Embden für das ALPENFORUM 1998/99 durchgeführte orientierende Befragung (11) ergab hierzu folgendes interessante Bild:
Nur 7,5 % aller Befragten befürworteten eindeutig eine intensivere Beschneiung der Pisten, 42,5 % lehnten dies ebenso eindeutig ab. · Nimmt man aber auf die Frage einer Intensivierung der Beschneiung jene Antworten dazu, die mit "eher nein" antworteten, dann sind zwar. 68 % aller Befragten tendenziell gegen eine großflächige, künstliche Beschneiung alpiner Wintersportabfahren in schneearmen Wintern, aber nur 58 % der inneralpinen Bewohner. 32 % aller Befragten sprachen sich tendenziell für die künstliche Beschneiung aus.
Inneralpine Bewohner stehen offenbar einer Beschneiung vergleichsweise etwas weniger kritisch gegenüber als Auswärtige. Dies kann mit der Sorge vieler Einheimischer vor den Konsequenzen schneearmer Winter für die Aufrechterhaltung eines wirtschaftlich rentablen Wintersportbetriebes zusammenhängen. Umgekehrt ist denkbar, dass bei den außeralpinen Bewohnern ökologisch relevante Gesichtspunkte (hoher energie- und Wasserverbrauch für den Betreibe der Beschneiungsanlagen) in der Bewertung stärker durchschlagen.
Die orientierende Befragung signalisiert jedenfalls ein deutliches Unbehagen auch der einheimischen Bevölkerung an der Problematik großflächiger Beschneiungen in den Alpen. Dies unterstreicht einmal mehr die dringende Notwendigkeit, sich von der hohen Abhängigkeit des Wintersportbetriebes in alpinen Regionen zu befreien und neue, wirtschaftlich sinnvolle und ökologisch vertretbare Alternativen zu entwickeln.
Abb.1
Skipisten und Bescheiungsanlagen in den Alpen
Gesamtalpen | Österreich | |
Skipisten, Fläche in km² | > 1 000 (1) | |
Liftanlagen, Zahl | > 10.000 (1); ca. 11.000 (2) | |
Beschneiungsanlagen, Zahl | 540 | 300 |
% der Pistenfläche | 34 (1); 38 (3) | |
% der Landesfläche | 0,2 (3); 0,9 (2) |
Meerkamp van Embden (2004), nach Newesely und Cernusca (1); Pröbstel (2), Güthler (*Stand 2001) (3)
Abb. 2
Wasser- und Energieverbrauch sowie Lärmemission von Beschneiungsanlagen
Wasserverbrauch |
1.500 - 2.000 m³/ha bei 30 cm Beschneiung (1) 600 Litr./Min.(12) 200Ltr./m³ Schnee (8) 250 - 300 ltr./m³ Schnee (6) 1000 ltr. für 2,5 m³ Schnee bei 30 cm Beschneiung (4) |
Energieverbrauch während des Betriebes Niederdruckanlangen Hochdruckanlagen |
45 - 65 KW/ha (1) 80 - 130 KW/ha (1) |
Strombedarf Richtwert bei 30 cm Schneehöhe Jahresbedarf bei 20 cm Schneehöhe |
0,5-1,5 KWH/m² bis 9.000 KWh/ha (5) |
Schallpegel in 20 m Entfernung Niederdruckanlage Hochdruckanlage |
60 - 75 dB(A) 80 - 115 dB(A) |
Meerkamp van Embden (2004), nach Newesely und Cernusca (1); Die Österreichischen Seilbahnen (5, 6), Deutscher Skiverband DSV (8), Wikipedia (12)
Literatur