Biosphärenreservate

FRAGEN und ANTWORTEN

Ian C. Meerkamp van Embden

 

1. Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung 

Wie ist der Einfluss eines Biosphärenreservats auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region zu bewerten?

Es gibt, soweit feststellbar, für den europäischen Raum bislang vergleichsweise wenige wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zur Inwertsetzung von Großschutzgebieten, zu denen ja auch die Biosphärenreservate zählen. Manche Gebrauchs- bzw. Nutzwerte sind zumindest teilweise monetär bewertbar, wie die Nutzung von Holz in der Forstwirtschaft, der Verkauf von regionalen Erzeugnissen, die touristischen Einnahmen oder Gebühren aus der Jagd- oder Fischerei. Aber andere Werte sind immaterieller Natur, wie der Erlebniswert, der Identifikationswert, die lmagewirkung oder der Vermächtniswert einer schönen Landschaft oder selten gewordener Tier und Pflanzenarten. Dies ist einer der Gründe dafür, dass die Inwertsetzung eines Biosphärenreservats objektiv nicht quantifizierbar ist. Unter Berücksichtigung dieser wichtigen Einschränkung sind gewisse Aussagen zur wirtschaftlichen Bedeutung alpiner Großschutzgebiete jedoch möglich: Mehrere Studien sind hierzu in jüngerer Zeit erschienen, darunter: 

·         Eine 2003 veröffentlichte Studie von Job, Metzler und Vogt vom Institut für Wirtschaftsgeographie an der Universität München zur ökonomischen Wirkung einer Reihe europäischer Nationalparks und speziell des Nationalparks Berchtesgaden (1).

·         Die ebenfalls 2003 veröffentlichte Untersuchung von Revermann und Peten,nannüber über die ökonomische Bedeutung des Tourismus in Großschutzgebieten (2).

·         Die im Milleniumjahr 2000 veröffentlichte Studie von Küpfer zur regionalwirtschaftlichen Bedeutung des schweizerischen Nationalparks (3)

Die Autoren kommen durchgängig zum Ergebnis, dass zwar allein schon durch die Institution eines Großschutzgebietes regionalökonomische Effekte erzielt werden können, dass aber ausschließlich auf Grund der Existenz eines solchen Schutzgebietes eine dynamische Wirtschaftsentwicklung in der Region nicht automatisch garantiert werden kann. Dies gilt entsprechend auch für den Regionaltourismus. Vielmehr werden wirtschaftliche Impulse erst wirklich erkennbar, wenn eine gezielte lmagewerbung, ein standortorientiertes Marketing und eine pro - aktive Kommunikations- und lnformationspolitik betrieben wird. Dies sollte auf der Grundlage einer engen Zusammenarbeit der Schutzgebiets- Verwaltung mit den Tourismusorganisationen, der Land - und Forstwirtschaft, den kommunalen Institutionen und anderen gesellschaftlichen Gruppen erfolgen.

Die in den genannten Untersuchungen gemachten Erfahrungen lassen sich wahrscheinlich im großen und ganzen auf die Situation von Biosphärenreservaten übertragen.

Fachleute gehen davon aus, dass die in Großschutzgebieten geleisteten Investitionen positive Bruttoproduktionswerte in den vor- und nachgelagerten Sektoren der regionalen Wirtschaft auslösen, deren Höhe unterschiedlich auf knapp dem zwei- bis vierfachen der lnvestitionssumme bewertet wird. (4, 5).

Eine Untersuchung über den wirtschaftlichen Einfluss der Gründung des Nationalparks Kalkalpen in Osterreich prognostiziert für einem Zeitraum von 50 Jahren für diesen Nationalpark ein diskontiertes Saldo von rund 50 Millionen Euro (5). Solche Prognosen sind jedoch mit Vorsicht aufzunehmen und bedürfen der

kritischen Nachprüfung vor Ort. Zu den genannten Direkt- Wirkungen kommen indirekte monetäre Effekte durch Fördermaßnahmen auf nationaler oder EU- Ebene, wie etwa dem Regio - Strukturfonds der Europäischen Union. Die Förderung einer nachhaltig orientierten Regionalpolitik gehört zu den erklärten Zielen der Europäischen Kommission und ist deshalb im Hinblick auf die Ausweisung eines bestimmten Biosphärenreservates von erheblicher Bedeutung.

Ein weiterer indirekter, aber nicht zu unterschätzender monetärer Faktor fällt unter den Begriff der sogenannten "Vermeidungskosten“: Ein gut geführtes Management in einer Biosphärenregion vermeidet von vornherein durch sinnvolle Schutzstrategien jene zum Teil exorbitant hohen Folgekosten, die ansonsten zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erforderlich wären. In einer 1996 durchgeführten Studie zur Funktion der Naturwacht im Biosphärenreservat Schorfheide - Chorin wird dieser monetäre Vermeidungsnutzen u. U. höher eingeschätzt als der direkte Nutzen(6).

2. Bestehen gegen die Einrichtung eines Biosphärenparks grundsätzliche Bedenken?

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass grundsätzliche Bedenken gegen die Einrichtung eines regionalen Biosphärenreservats von verschiedener Seite bestehen können. Hierbei stehen Partikularinteressen der Betroffenen im Vordergrund. Im konkreten Fall einer Biosphärenregion Lungau-Murau sind es vor allem die regionale Waldbesitzer. Sie befürchten eine "Fremdbestimmung" ihres forstwirtschaftlichen Managements, sei es durch internationale Organisationen, wie die UNESCO oder auch durch die eigene Regierung.

Es liegt deshalb auf der Hand, dass man für die möglicherweise betroffenen Kern- oder Pflegezonen möglichst nur solche Schutzgebiete selektionieren sollte, die von Anfang an keine konkurrierenden Nutzungsansprüche erwarten lassen. Genau diesen Weg hat beispielsweise die Bioregion Enltebuch beschritten. Es wurden dort nur Gebiete ausgewählt, die weder land- noch forstwirtschaftlich einen hohen Nutzen aufweisen. Schutzgebiete dieser Art weisen im genannten Beispiel Entlebuch deshalb auch keine zusammenhängende Fläche auf, sondern sind ganz bewusst "insulär" als ökologische Trittsteine strukturiert.

Im Hauptbereich einer Biosphärenregion, nämlich in der sogenannten Entwicklungszone, sind Befürchtungen hinsichtlich einer Nutzungsbegrenzung schon deshalb unbegründet, weil diese eigentliche Hauptzone der betreffenden Biosphärenregion in erster Linie der wirtschaftlichen Entwicklung dienen soll.

Literatur :

  1. Hubert Job, Daniel Metzler, Luisa Vogt, "Inwertsetzung alpiner Nationalparks"; Münchner Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeographie, Bd. 43, Verlag Michael Lassieben Kalkmünz, Regensburg (2003).

  2. Christoph Revermann, Thomas Petermann, "Tourismus in Großschutzgebieten,- Impulse für eine nachhaltige Regionalentwicklung", Studien des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag TAB, Berlin (2003).

  3. Küpfer, "Die regionalwirtschaftliche Bedeutung des Nationalparktourismus. Untersucht am Beispiel des Schweizerischen Nationalparks"; Nationalparkforschung in der Schweiz 90, (2000).

  4. Mediennetzwerk Alpen, 13. 10. 1999

  5. Kurzfassung der Kalkalpen-Kosten-Nutzen Analyse Nationalpark Kalkalpen

  6. U. Eiger, W. Schluchter, G. Dahm, "Der Wert der Naturwacht, im Auftrag des VMF Deutschland, IST-GmbH, Gesellschaft für angewandte Sozialwissenschaft und Statistik, Januar 1996.